Die Suche nach dem Gold

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Freitag, 8. Januar 2010

Prioritätenprobleme

Dinge, die mich zurzeit beschäftigen:

- Ich habe eine Bankkarte, die funktioniert. Yeah!
- Ich habe ein virtuelles Interview für mein Buch-Projekt gegeben, das mich zwar gut und gerne eineinhalb Stunden Zeit gekostet hat, aber nach dem ich jetzt gespannt auf Resultate warte.
- Das Projekt als solches. Ich schwebe zwischen Zuständen dauerhafter Begeisterung, Ungeduld und Gespanntheit, was schön ist, weil ich spüre, wie ich lebe und was doof ist, weil ich ein Entspannungsversager bin.
- Mein Leben ls solches und wie es einmal aussehen soll, wenn mein Studium beendet ist.
- Forumstätigkeiten.
- Schokolade.
- Filme.
- Musik.
- Andere Romane.
- Ein Trip nach Barcelona.
- Dieser Unsinn hier.

Dinge, die mich beschäftigen sollten:
- Prüfungen. Erschreckend schnell näher kommende. Mündliche. Lähmende.

Ich hole mir besser noch einen Schokoriegel.

Montag, 17. November 2008

Geradeaus ins Paradies

Ich komme gerade zurück aus Jena. Die knapp zweieinhalbstündige Fahrt hat sich gelohnt. Freilich nicht etwa deswegen, weil es sich bei Jena um ein bezauberndes Städtchen handelt. An der Autobahnausfahrt versprühen Urlaubsplattenbauten den Charme einer Reifenpanne im strömenden Regen. Und in der Stadt selbst ist mir in erster Linie jenes Straßenschild aufgefallen, das rechts zur Arbeitsagentur für Arbeit wies - und geradeaus nach Jena-Paradies, ein nahezu absurder Gedanke. Nein, ich hatte den Besuch vielmehr mit der Hoffnung verknüpft, der Schweizer Andi Gross, der dort heute eine dreistündige Vorlesung hielt, könne vielleicht etwas Licht in das Dunkel bringen, das mich umgibt, wenn ich an meine Magisterarbeit denke. Weil er so was wie der Godfather der Direkten Demokratie ist, zumindest ihr glühendster Vertreter. Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Den auf der Fahrt nach Jena lässt es sich nicht vermeiden, an Weimar vorbeizukommen - und damit auch an Buchenwald. Und dies wiederum erinnerte mich an meinen letzten Besuch dort. Und an die Gedanken, die hängen blieben. Ich zitiere:

"Kein Wölkchen am babyblauen Himmel, die Sonne strahlt tapfer und ergiebig und der Wind streift sanft Gesichter und Bäume. Fast könnte man glauben, man sei an einem Ort des Glücks und der Idylle, doch diese Idylle ist die Hölle - und die Feuersbrunst bedrückt einen noch immer, obwohl sie schon seit mehr als 60 Jahren als gelöscht gilt. Und an der Tür steht "Jedem das Seine", von innen, damit man es auch lesen kann, als "Bewohner" dieser Idylle.

Man befindet sich in Buchenwald, auf dem Ettersberg nahe Weimar, in der Gedenkstätte Buchenwald, in einem ehemaligen Konzentrationslager, in dem die Nazis willkürlich Menschen zu Unmenschen degradiert haben, im Kampf der Arier für das Gerechte. Und später die Russen auf einer Reinigungstour durch die sowjetische Besatzungszone ähnliche Greueltaten begingen, auf ihrem Kampf nach Gerechtigkeit. Trauer und Wut überkommt einen. Trauer, weil dieses unglaubliche Leid von politischen Gefangenen und Juden an jeder Ecke zu spüren ist, in den kleinen Zellen, in denen aufsässige Insassen an den Füßen aufgehängt wurden bis sie starben. In den Genickschussanlagen, in denen Kriegsgefangene in einem Moment starben, in dem sie annahmen, ihre Körpergröße werde gerade gemessen. Oder im Krematorium, dessen Schornstein Überlieferungen zufolge stets rauchte. Trauer, tiefe Trauer.

Aber auch Wut. Wut darüber, dass keiner etwas gewusst haben wollte von Buchenwald, von Dachau, von Auschwitz. Dort, auf dem Ettersberg, auf dem Platz, auf dem die Gefangenen morgens und abends zum Appell hatten antreten müssen, konnte ein Blick auf Weimar erhascht werden. Doch in der Stadt, so heißt es, wussten die Menschen nichts von den Geschehnissen, die in ihrer direkten Umgebung stattfanden. Warum ist es so, dass Menschen nicht aufstehen und kämpfen, wenn ihnen die Ungerechtigkeit förmlich ins Gesicht springt? Warum stehen Menschen schweigend daneben und schließen die Augen? Warum belegen wissenschaftliche Studien, dass Menschen einem Hilfsbedürftigen weniger helfen, wenn viele Menschen daneben stehen und die Hände in die Hosentaschen stecken?

Die Hoffnungslosigkeit, die einen in Buchenwald noch heute an jeder Ecke überlegen grinsend grüßt, lässt einen niedergeschmettert zurück."

Montag, 23. Juni 2008

Das Streben nach Glück

(gewidmet einer treuen Leserin)

Die vorläufige Literaturliste steht. Sie ist, obwohl vorläufig, beängstigend lang. Und das Schlimmste ist: auf ihr stehen fast ausschließlich Texte, die im Fachenglisch verfasst sind. Es geht, grob gesagt, um the pursuit of happiness - das Streben nach Glück. Sozialpsychologie, subjective well-being. Konkreter um das Phänomen der hedonic treadmill. Einer in letzter Zeit vielfach kritisierten Theorie, wonach der Mensch sich abstrampeln muss (wie der Goldhamster in seinem Laufrädchen), um auf dem selben "Glücks"-Niveau zu bleiben. Er muss das, weil er sich zu fix an neue Gegebenheiten anpasst und die Errungenschaften der Gegenwart in der unmittelbaren Zukunft schon als selbstverständlich angesehen werden. Ein spannendes Thema für eine Hausarbeit im Semesterendspurt und bedauerlich, dass so wenig Zeit dafür bleibt - dreieinhalb Wochen nur. Weil in den Tagen und Wochen zuvor andere Dinge Priorität genossen. Trägheit zum Beispiel.

Ein Gutes - das zeigen wissenschaftlich nicht ausgereifte aber deswegen nicht minder überzeugende Studien der Selbstbeobachtung - hat der befüchtete Stress aber: Er lenkt ab. Von den alltäglichen Dingen dieser Welt, die einen zum Nachdenken bringen könnten. Dinge, das eigene verkomplizierte Streben nach Glück betreffend. Welch Ironie!

Donnerstag, 5. Juni 2008

Der lange Schatten der Geschichte

Nach mehr als vier Monaten zurück aus der Kreativpause. Womöglich (vermutlich) nur für kurze Zeit. An der Gesamtansicht hat sich nichts geändert. Ich habe nichts zu erzählen und niemanden (kaum jemanden), den es interessiert. Aber gewisse Dinge müssen dann doch gesagt werden, immer wieder.

Franz Josef Müller
sagt diese Dinge seit Jahrzehnten. Vor Schülern, CDU-Politikern, Gewerkschaftern oder - wie gestern Abend - vor (Würzburger) Studenten. Begleitet von seiner Ehefrau Britta, der treuen Souffleuse an seiner Seite, tourt der Gründer der Weiße Rose Stiftung e.V. und letzte Überlebende der NS-Widerstandsbewegung gleichen Namens durchs Land und spricht. Spricht davon, wie er in Ulm einst eines der Flugblätter aus dem Widerstandskreis um die Gebrüder Scholl zu Gesicht bekam, die jedem halbwegs aufgeklärten Deutschen ein Begriff sind, und sei es durch die Filme von Michael Verhoeven (1982) oder Marc Rothemund (2005). Wie er und seine Freunde darüber debattierten, was zu tun sei. Wie er Briefmarken besorgte, Briefumschläge klaute. Und wie der Pfarrerssohn und Freund Hans Hirzel nach Stuttgart fuhr, um die Flugblätter dort unters verängstigte oder verblendete Volk zu bringen. Und Müller tut das mit so viel Witz, so charmant und nonchalant, als wäre es die Geschichte eines Sommerurlaubs. Natürlich bleibt den Zuhörern das Lachen dann doch im Halse stecken, wenn sie erfahren, wie ein Knöchelbruch ihn 1942 vor dem Russland-Feldzug (und damit, seiner Ansicht nach, vor dem sicheren Tod) rettete. Wie ihn ein Freund unter der Folter der Gestapo verriet, er aber vom Präsidenten des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, anders als in derselben Verhandlung seine Kameraden Kurt Huber und Willi Graf nicht zum Tode, sondern nur zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt wurde, weil er - blond und blauäugig - als echter Arier und "jugendlicher Narr" lediglich von "Staatsfeinden verführt" worden sei. Wie er während der Evakuierung des Heilbronner Jugendgefängnisses, in dem er einsaß, die Freiheit wiedererlangte und in einem schwäbischen Dorf die US-amerikanischen Befreier begrüßte, mit schlotternden Beinen, weil die auf seine Beteuerung, er sei ein Widerständler sagten, "there is no resistance in Germany".

Ein weißhaariger Mann ist dieser Müller längst. Einer, der - während ihm Fragen gestellt werden - auf einem Stück Papier herumkritzelt, der fünf Minuten, nachdem er etwas erzählt hat, bereits wieder vergessen hat, dass er es erzählt hat. Er muss dann von Gattin Britta gestoppt werden, weil die Studenten schon belustigt oder irritiert ihre Sitznachbarn anschauen. Und er sagt dann, dass man gewisse Dinge auch mal zweimal sagen müsse, auch wenn er sie schon zum dritten Mal berichtet. Das Alter fordert seinen Tribut. Aber es ist nicht nur das. Es ist das Leben an sich. Die Erinnerung, die ihn quält. Womöglich auch ein Schuldgefühl, wo keines sein sollte. Manchmal, erzählt seine Frau nach dem Gespräch, wache ihr Mann nachts auf und wolle nicht mehr. Weil er schon wieder davon geträumt habe, wie er hingerichtet werde. Genau wie all die anderen, die damals nicht mehr schweigen wollten.

Und weil er selbst nicht vergessen kann, sorgt er dafür, dass andere es auch nicht tun. In der Hoffnung, dass wenn die letzten Zeitzeugen ausgestorben sind, nicht der Mantel der Verschwiegenheit über dunkle Kapitel der Vergangenheit gedeckt wird.

Montag, 22. Oktober 2007

Dreckschleudern, reloaded

War nichts mit dem Lottogewinn. Trotzdem scheint die Pechsträhne beendet. Habe im Sprachenzentrum gerade den letztenletzten Platz im Italienisch-Kurs für Anfänger ergattert. Damit verdoppelt sich meine Semesterwochenstundenzahl nahezu. Und beim Orthopäden war ich auch, wegen der Rückenschmerzen. Bekam eine Spritze und ein Korsett (aka Bandage). Die gute Nachricht: die Schmerzen sind nicht mehr da, wo sie waren. Die schlechte: sie sind jetzt woanders. Aber warum sollte mich das aus der Ruhe bringen? Die Sonne scheint!

Samstag, 20. Oktober 2007

Dreckschleudern

Ich habe von einer Bekannten aus Long Beach, California (erwartete Höchsttemperatur für morgen: 29 Grad Celsius) eine lustige Mail bekommen, die mich vermuten lässt, dass die Dame hellseherische Fähigkeiten besitzen muss. Es ging um einen Esel, der in einen Brunnen fiel und aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr geborgen, sondern begraben werden sollte. Das beschloss zumindest der Farmer, dem das Tier gehörte - und schüttete mit Freunden Dreck auf das Vieh. Der alte Esel allerdings hörte nach kurzer Zeit auf zu flennen, schüttete die Erde von sich und kletterte mit jeder Schaufel Dreck einen Schritt weiter Richtung Brunnenrand. In der Geschichte rächte sich der Esel nach dem Wiedererlangen seiner Freiheit am herzlosen Farmer mit einem Biss in den Arsch, worauf dieser an einer Blutvergiftung starb. Aber die Moral von der Geschichte lautet: Wenn jemand Dreck auf dich wirft, schüttel ihn ab.

Ich bin in letzter Zeit verschiedenen Dreckschleudern begegnet. Scheint fast so, als wären Lieblingwochen in Wü, um noch mal auf Tag zehn im Tagebuch eines Umzugskünstlers (zwei Posts weiter unten) zu verweisen. Ob den Bauleiter wohl der Ehrgeiz packen würde, wenn er wüsste, welche Konkurrenz er hat? Ein Prof scheint mein Interesse für seinen Fachbereich derart kalt zu lassen, dass er mir unmissverständlich klar machte, ich hätte als Nebenfachstudent in seinen nur für Hauptfachstudenten geeigneten Veranstaltungen nichts zu suchen und solle mich gefälligst fern halten. Ein anderer Dozent, Protokollant meiner mündlichen Zwischenprüfung, gähnte die erste Hälfte der morgendlichen Prüfung genüsslich durch und blühte dann auf, als ich Fragen aus seinem Fachbereich nicht mehr beantworten konnte, weil ich mich fragte, was zum Teufel diese Menschen mir gegenüber eigentlich von mir hören wollen. Ja, es ist schon ein Genuss, wenn man Studenten die Überlegenheit spüren lassen kann, die einem ein Doktortitel verleiht. Andere grauhaarige Männer kaufen sich als Kompensation einen Porsche...

Nun ja, die Prüfung habe ich trotzdem bestanden, aufgrund der ordentlichen Leistung in jenem Bereich, den der Protokollant vergähnt hat. Ansonsten aber scheine ich zurzeit eine kleine Pechsträhne zu haben. Der Plan, bei meiner Wochenendflucht in die Heimat die Rückenschmerzen im Exil zu lassen, ist mal gründlich missglückt. Auf der Bundesstraße (wenige Meter nach einem Blitzer) wurden mein Auto und ich von einer plötzlichen Fontäne Wasser (das, unnötig zu erwähnen, ziemlich dreckig war) überrascht, die irgendwo aus dem Nichts des Seitenstreifens gespritzt kam (R. hielt mich für endgültig abgedriftet). Und der Losentscheid zur Zulassung für den Italienisch-Sprachkurs an der Uni weigerte sich ebenfalls erfolgreich, mit mir etwas zu tun haben zu wollen.

Aber vielleicht gewinne ich ja heute Abend im Lotto.

Freitag, 20. Juli 2007

Vom Zorn, der Furcht - und Liverpool

An dieser und an anderer Stelle ist schon mehrfach die Rede vom Lieblingsdoc gewesen, dem Dozenten für Politische Theorie. Gestern nun, zu Beginn des letzten Prüfungskolloquiums des Semesters, schockte er uns mit der Ankündigung, dass - wenn nicht noch ein Wunder geschieht - er im Herbst nicht mehr am Institut lehren wird. Er stellte eine Kiste Bier in die Mitte, ermunterte zum Zugreifen, trank selbst drei Flaschen und beglückte uns ein letztes (?) Mal mit seiner Kunst. Den Kommilitonen B. nannte er einen klerikalen Faschisten ("Jetzt kann ich es ja sagen" - B. hat darüber gelacht), eine feurige Abschiedsrede, wie man sie sich gewünscht, wie man sie erwartet hatte, unterließ er. Dazu war der Schock wohl noch zu frisch. Er bat uns, ihn einfach gehen zu lassen. Und dann erinnerte er, der so leidenschaftliche Nürnberg-Fan, mit seinen letzten Worten, einem Zitat des Kollegen, Freundes und Sportreporters T. K., an das Champions-League-Finale 2005 zwischen Milan und Liverpool: "Es steht erst 0:3 - und noch ist Zeit." Die Hoffnung ist noch nicht verloren. Aber Wunder gibt es nicht jeden Tag.

Die Welt frisst ihre Kritiker. Das gilt besonders für Bayern, jenes Land, in dem man ohne das richtige Parteibuch und die richtige Konfession höchstens ein Don Quijote werden kann: ein Kämpfer gegen Windmühlen. Der Doc hatte sich für die neu ausgeschriebene Stelle beworben, die dem von der empirisch-analystisch geprägten Wissenschaftswelt eher herablassend betrachteten Lehrstuhl für Politische Theorie (und Philosophie) neues Leben hätte einhauchen können. Die Institutsleitung hatte die Bewerbung begrüßt, der Doc wäre für die Stelle prädestiniert gewesen, lehrt er doch seit einigen Jahren als wissenschaftlicher Mitarbeiter genau auf diesem Gebiet. Nun steht wohl fest, dass er die Stelle nicht bekommen wird. Er zieht seine Konsequenzen daraus - und geht ein halbes Jahr vor dem eigentlichen Ende seines Vertrags. Mit gebrochenem Herzen, aber aufrecht, typisch für ihn.

Natürlich ist der Doc kein völlig unumstrittener Mensch und Dozent. Seine gelegentliche Polemik, seine unbedingte Affinität gegenüber Horkheimers und Adornos Kritischer Theorie, sein teilweise kumpelhaftes Verhältnis zu bestimmten Studenten - das alles kann auch kritisch gesehen werden. Aber was ihm anzurechnen ist: er wird nicht müde darin, seine Studenten dazu aufzumuntern, ein kritisches Gespür für die Zustände des Landes und der Gesellschaft zu entwickeln. Es ist ihm wichtig, die jungen Menschen zu einer Reflexion zu führen. Es darf vor allem bei der Geisteswissenschaft nicht allein um das bloße Beschreiben des Existierenden gehen. Gerne hat er Friedrich Nietzsche zitiert (aus: Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne): "In irgend einem abgelegnen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Thiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmüthigste und verlogenste Minute der Weltgeschichte, aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Athemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Thiere mussten sterben." Am Institut ist er in diesem Semester bereits der zweite ansatzweise kritische Dozent, der geht. Der unsägliche Bachelor naht mit großen Schritten und verheißt nichts Gutes. Die Zukunft ist ungewiss, sieht aber momentan nicht allzu rosig aus. Und sein Nachfolger wird erst einmal einen schweren Stand haben.

Aber wer wird denn die Hoffnung verlieren? In Anlehnung an Ulrike Meinhof, die Ikone der RAF, hat der Doc einmal seine Hoffnung im Kampf gegen real existierende Ungerechtigkeiten innerhalb einer Gesellschaft kund getan: "Möge der Zorn irgendwann so gewaltig werden, dass er die Furcht verdrängt."

Montag, 25. Juni 2007

Meine Professorin, die coole Socke

Aus der Tatsache, dass Professoren (Dozenten) ja irgendwie auch nur Menschen sind, folgt: Es gibt solche und solche. Meine Professorin G. (ausnahmsweise der Vorname, weil die Initialen des Nachnamens uniweit bekannt sind) ist eine solche. Körperlich recht klein, fachlich unbestritten ist sie die gefürchtete und unter bestimmten Studenten und Dozenten nicht immer ganz unumstrittene Regentin ihres Lehrstuhls, ja im Prinzip des gesamten (mit den Soziapathen, Verzeihung: Sozialforschern zusammengelegten) Instituts. Der Lieblingsdoc kann von Auseinandersetzungen mit G. ein Liedchen singen. G. doziert in diesem Semester vor einem immer gut gefüllten Hörsaal über die Vereinten Nationen und bietet die Folien dazu im Internet zum Download an. Jedoch: seit 11. Juni gab es keine Aktualisierung mehr. Was macht der gemeine Student unter diesen Umständen? Er ärgert sich zuerst, entscheidet dann aber, sich in Geduld zu üben, ein bisschen zu warten. Man will ja nicht gleich fordernd werden, frech geradezu, nur weil sich für einige Tage nichts tut. Nicht gegenüber G., vor deren Gewalt so mancher zittert. Irgendwann ist es dann aber an der Zeit, doch vorsichtig nachzufragen. Also wird eine E-Mail formuliert, natürlich jedes Wort in die Waagschale gelegt. Das Ziel: den Wunsch, endlich auf die Folien zugreifen zu können, griffig formulieren, ohne dabei unverschämt zu wirken. Kein leichtes Unterfangen.

Die E-Mail hat den Server zu Feierabendstunde gerade mal seit 25 Minuten verlassen, da ist die Antwort schon im Posteingangsfach:

"Sie sind der 1. und einzige, der nach dem download frägt. Das wollte ich nur mal testen!"

Mehr gibts nicht. Keine Anrede, kein Gruß. Aber immerhin: eine klare Aussage. Meine Professorin ist schon eine coole Socke.

Jetzt warte ich nur noch darauf, auf die Folien auch wirklich zugreifen zu können...

Mittwoch, 13. Juni 2007

Der Staffelstab des Lebens

Ich bin vor gut einer Stunde aus dem Bett gestiegen. Ausufernder Mittagsschlaf nennt man das wohl. Nach meinem Nachtschwärmertun in Kombination mit einem "Früh"-Aufstehenmüssen der vergangenen beiden Tage kein Wunder. Verpasst habe ich nicht viel. Sowieso befinde ich mich wie in Fesseln. Bis morgen. Bis ich es geschafft habe, rund 50 mehr oder weniger desinteressierte Menschen über lothringische Klosterreformen im zehnten Jahrhundert und Platons Staat zu informieren. Die Gedanken an die Referate lähmen mich, nicht wegen der Angst vorm Reden - auch wenn ich gerne mal schweige - sondern weil sie ihre Ellenbogen ausfahrend in meinem Kopf herumprollen und eine Beschäftigung mit anderen essentiellen Dingen unmöglich machen. Nun gut: ich kann noch essen und noch schlafen. Aber ich kann nicht lernen. Dabei beginnt in 955,5 Stunden meine Zwischenprüfung. Zum Glück ist sie geduldig. Und ölt schon mal ihre Ellenbogen. Das Leben besteht nur aus Etappen.

Dienstag, 5. Juni 2007

Der stille Schrei des schlechten Gewissens

Mal schnell Join me von Him einlegen, Green Days Whatsername und Where is my mind von den Pixies folgen lassen, Kopfhörer aufgesetzt und auf laut gestellt. Kurze Pause im allgemeinen Trubel des Junis. Und letzterer Song passt sogar wie die Faust aufs Auge. Dienstage sind schon im Allgemeinen mit intellektuellen Herausforderungen vollgepackt, ist doch das Wissenschaftstheorie- und -methodenseminar plus Tutorium kein Kurs, den man mal so im Vorbeigehen bewältigt. Zumal der Lieblingsdozent im Nürnberger Pokalsiegertrikot gerne mit seinem beeindruckenden philosophischen Wissen verwirrt, während man selbst im Nebel der Unsicherheit zwischen (heute:) Kritischem (positivistischem/empirisch analytischem) Rationalismus und dem sozialphilosophischen Konzept der Kritischen Theoretiker Adorno, Horkheimer und Co. aus der Frankfurter Schule stochert. Dienstage wurden zudem für gewöhnlich mit einem Seminar zu politökonomischen Fragestellungen kapitalistischer Wirtschaftssysteme und mit einer bis 22 Uhr andauernden psychologischen Ring-Vorlesung versüßt, aber beides muss heute anderen Verpflichtungen weichen. So zum Beispiel der Auseinandersetzung mit einer mittelalterlichen Quelle zu dem ersten der beiden Referate, die am Donnerstag in einer Woche zu halten sind. Der Kampf zwischen Quelle und Trinker (Leser) wäre vielleicht nicht ganz so einseitig, wenn der Trinker (Leser) irgendwann mal Latein gelernt hätte. Hat er aber nicht. Interessiert aber keinen. Quelleninterpretation ist trotzdem Pflicht. Zum Glück gibt es im Wohnheim Menschen wie A. Die ist zwar krank (also vergrippt) und hat morgen ein Referat, mir aber trotzdem versprochen, sich das mal anzuschauen, was ich auf gut Glück aus den 40 Seiten rauskopiert habe, aus der die Quelle besteht. Wenn die hebräische Bedeutung meines (zweiten) Vornamens (gleichzeitig ungebrauchter Nennname) zutrifft, sind wenigstens zwei halbwegs verwendbare Sätze unter den zwei Seiten.

A. hat sich bis Freitag Zeit erbeten. Am Montag ist die Vorbesprechung für das Referat, doch schon am Donnerstag fahre ich zum Arbeiten nach Stuttgart und komme am Sonntagabend zurück. Ich werde auf mein Glück vertrauen müssen und hoffen, etwas positives im Briefkasten zu finden. Wenigstens wird die quälende Ungewissheit keine Chance bekommen, mich zu pisacken. Ich habe keine Zeit für sie. Da ist das zweite Referat (Platon!), da ist die Zwischenprüfung, da sind die Partys, auf denen ich nicht fehlen darf - und das ist kein bloßes unbedingt Hingehenwollen, sondern ein tatsächliches Müssen, das natürlich trotzdem nicht weniger Spaß bereiten wird.

Trotzdem: im Zwischenraum zwischen Vernunft und Unvernunft, zwischen einem Wochenende über den Büchern und einem bei R. sowie A./N. in Freiburg (war geil, ihr Bebeks!) fühlt es sich nur so lange angenehm an, solange man nicht an sein eigenes schlechtes Gewissen erinnert wird.