Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Freitag, 7. September 2007

Versteckspiel mit Gespenstern

Überheblich grinsend begrüßte mich der Herbst, als ich gestern Abend die Redaktion verließ und mich auf den Weg zum Auto begab. Wie ungemütlich können 40 Sekunden eigentlich sein? Das ist kein Wetter für Aktivitäten im Freien. Das ist ein Wetter, um sich daheim unter einer Bettdecke zu verstecken und in die Welt von Ally McBeal einzutauchen (dazu in Kürze mehr). Heute Morgen war der Herbst dann immer noch da. Und eigentlich hätte ich Haus und Decke nicht verlassen, hätte ich nicht diesen besonderen Termin gehabt. Im Atelier im Bollwerk, eines von zwei Stuttgarter Arthouse-Kinos, wurde der Film Nichts als Gespenster der Kritikerriege vorgestellt. Es war meine zweite Pressevorführung, nachdem ich mir am 24. September 2004 für die Stuttgarter Zeitung Head in the Clouds angetan hatte. Und im Kino, bei diesen warmen Bildern von der Wüste Nevadas, dem Strand Jamaicas, ja selbst vom "Sommer" in Island, war der Herbst sofort vergessen, zumindest für zwei Stunden. Das Problem war nur: ich musste irgendwann wieder raus, um nach Haus(e) zu kommen, zurück zu meiner Bettdecke.

Die Rezension gibt es demnächst bei Moviemaze.

Montag, 3. September 2007

Filzballfieber

Es gab eine Zeit, da saß Deutschland vor dem Fernseher und hat Menschen - meistens zwei, gelegentlich auch vier - dabei zugesehen, wie sie sich kleine gelbe Filzbälle entgegen geprügelt haben. Wobei: geprügelt wurde damals noch nicht so wie heute. Tennis war ein anderes Spiel, als Boris Becker zum ersten Mal Wimbledon gewann. Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, vielleicht trübt die Erinnerung. Aber eines ist sicher: etwas war anders. Als das deutsche Davis-Cup-Team 1988 mit Niki Pilic als Coach im Finale gegen Schweden gewann, war ich sieben Jahre alt und seit ein, zwei Jahren selbst Tennisspieler. Fortan nannte ich mich in den vielen Fünf-Satz-Duellen mit M. Charly Steeb. Mein spanischer Kumpel war, ganz nationalstolz, meistens Sergi Brugera. Und wir fühlten uns so groß.

Heute ist Tennis ein Zeitvertreib, der von mir zuletzt zu wenig vertrieben wird, weil die Zeit fehlt. Und auch sonst ist, wie erwähnt, einiges anders geworden. In den vergangenen Jahren gab es kaum Anlässe, vor dem Fernseher zu sitzen und Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich
kleine gelbe Filzbälle entgegen prügeln. Die Identifikationspunkte sind nicht mehr da, die Deutschen hecheln in der Weltrangliste den anderen häufig hinterher, sind verletzungsanfällig, nicht stark genug. Aber ab und zu fühlt es sich wieder an wie früher. Und dann wächst die Lust, selbst einmal wieder zum Racket zu greifen, ins Unermessliche. Was der junge Philipp Kohlschreiber und der aufblühende Tommy Hass in diesen Tagen bei den US-Open in New York zeigen, lässt das Herz eines jeden Tennisfans höher schlagen. Und schneller. Mit Schlägen, die sie irgendwo gefunden haben müssen, aber nicht auf dieser Erde. Mit couragierten Auftritten, die einem einfach nur die volle Sympathie und den vollen Respekt abgewinnen müssen. Man sitzt wieder vor dem Fernseher, geht mit dem Oberkörper mit, zittert und zappelt, drückt die Daumen, leidet, jubelt, schüttelt fassungslos den Kopf.

Es spielt keine Rolle, dass Kohlschreiber in der Nacht zum Montag irgendwann gegen 3.46 Uhr gegen den Spanier Moya verlor, weil er zuvor seine vielen Breakchancen nicht hatte nutzen können. Es ist auch egal, wie das Spiel zwischen Haas und dem US-Amerikaner Blake ausgeht, bei dem gerade der Tie-Break im entscheidenden fünften Satz beginnt. Für solche TV-Erlebnisse ist man nur dankbar.