Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Freitag, 31. August 2007

Cinema Paradiso

Ich zitiere mal ganz dreist aus einem der Artikel, die ich kürzlich veröffentlicht habe.
Das abendliche Leben in Giancaldo, einem kleinen sizilianischen Nest, spielt sich im Cinema Paradiso ab. Dort verprassen die Dorfkinder das Geld, das ihnen ihre Mama gab, weil sie eigentlich Milch kaufen sollten. Dort lachen Alt und Jung über Charly Chaplin, dort teilen sie Stofftaschentücher, wenn ihnen ein trauriger Film die Tränen in die Augen treibt. Und dort arbeitet der grimmige, aber gutherzige Alfredo, Meister der Magie - Filmvorführer. "Du freust dich, wenn die Leute lachen. Du glaubst, dass du sie zum Lachen gebracht hast", verrät er dem kleinen Toto, der so gerne so wäre wie er.
Kinos wie das Cinema Paradiso gibt es heutzutage nicht mehr viele. Wir leben in einer Multiplex-Gesellschaft, in der der Zauber des Kinos häufig zu einem berieselnden Konsum degradiert wird. Kino ist dort nicht mehr ein Ort der Träume, ein Zufluchtsort vor der rauhen Realität. Aber es gibt sie durchaus noch, die kleinen sympathischen Kinos, in denen nicht alles perfekt sein muss, um schön zu sein. Von Würzburg aus führt eine Straße zwischen Weinbergen und dem stolzen Main nach Ochsenfurt und natürlich auch weiter. Aber wer würde weiter fahren wollen, wenn er in Ochsenfurt ist, einem dieser schnuckeligen Orte, in dem die Straßen noch so klein sind, dass höchstens ein Auto durchpasst, in dem die Menschen noch barfuß durch die Altstadt laufen, in dem sich das Casablanca befindet, Kino und Kneipe, wo es noch eine Empore im einzigen Saal gibt, wo sich die Regentschaft der digitalen Welt noch nicht durchgesetzt zu haben scheint, wo Jazzmusik einen auf den folgenden Film einstimmt.

Kino kann so schön sein.

Dienstag, 28. August 2007

Zivildienst am Ort ohne Worte

Aus meinem alten Blog, veröffentlicht am 18. Juli 2006, 18.48 Uhr:
Idyllische Hölle

Kein Wölkchen am babyblauen Himmel, die Sonne strahlt tapfer und ergiebig und der Wind streift sanft Gesichter und Bäume. Fast könnte man glauben, man sei an einem Ort des Glücks und der Idylle, doch diese Idylle ist die Hölle - und die Feuersbrunst bedrückt einen noch immer, obwohl sie schon seit mehr als 60 Jahren als gelöscht gilt. Und an der Tür steht "Jedem das Seine", von innen, damit man es auch lesen kann, als "Bewohner" dieser Idylle.

Man befindet sich in Buchenwald, auf dem Ettersberg nahe Weimar, in der Gedenkstätte Buchenwald, in einem ehemaligen Konzentrationslager, in dem die Nazis willkürlich Menschen zu Unmenschen degradiert haben, im Kampf der Arier für das Gerechte. Und später die Russen auf einer Reinigungstour durch die sowjetische Besatzungszone ähnliche Greueltaten begingen, auf ihrem Kampf nach Gerechtigkeit. Trauer und Wut überkommt einen. Trauer, weil dieses unglaubliche Leid von politischen Gefangenen und Juden an jeder Ecke zu spüren ist, in den kleinen Zellen, in denen aufsässige Insassen an den Füßen aufgehängt wurden bis sie starben. In den Genickschussanlagen, in denen Kriegsgefangene in einem Moment starben, in dem sie annahmen, ihre Körpergröße werde gerade gemessen. Oder im Krematorium, dessen Schornstein Überlieferungen zufolge stets rauchte. Trauer, tiefe Trauer.

Aber auch Wut. Wut darüber, dass keiner etwas gewusst haben wollte von Buchenwald, von Dachau, von Auschwitz. Dort, auf dem Ettersberg, auf dem Platz, auf dem die Gefangenen morgens und abends zum Appell hatten antreten müssen, konnte ein Blick auf Weimar erhascht werden. Doch in der Stadt, so heißt es, wussten die Menschen nichts von den Geschehnissen, die in ihrer direkten Umgebung stattfanden. Warum ist es so, dass Menschen nicht aufstehen und kämpfen, wenn ihnen die Ungerechtigkeit förmlich ins Gesicht springt? Warum stehen Menschen schweigend daneben und schließen die Augen? Warum belegen wissenschaftliche Studien, dass Menschen einem Hilfsbedürftigen weniger helfen, wenn viele Menschen daneben stehen und die Hände in die Hosentaschen stecken?

Die Hoffnungslosigkeit, die einen in Buchenwald noch heute an jeder Ecke überlegen grinsend grüßt, lässt einen niedergeschmettert zurück.


Ich habe soeben den Film Am Ende kommen Touristen gesehen über einen jungen, anfangs emotionslos-distanzierten Deutschen, der seinen Zivildienst in Auschwitz macht, weil er die Stelle in Amsterdam nicht bekommen hat. Sensibel und zurückhaltend erzählt der Regisseur Robert Thalheim, der selbst als Zivi in Auschwitz war, von einem Ort der Hilflosigkeit, an dem die Vergangenheit niemals eine Gegenwart zulassen wird. Und ich musste wieder an Buchenwald denken...



Samstag, 25. August 2007

Die Folgen der Höflichkeit

Interviews mit meiner Beteiligung laufen normalerweise gesittet ab. Recht distanziert, weil ein zu persönliches Verhältnis zum Gegenüber unprofessionell ist. Und ungesund. Zumindest gelegentlich. Wenn man sich zum Beispiel mit dem Spielleiter eines griechischen Fußball-Neu-Landesligisten (sechste Liga) in dessen Kneipe trifft - als passionierter Nicht-Trinker. Zum Interview nun hatte T. einen Teller Gemüse (treue Leser wissen was jetzt kommt: böses Zeugs also) und eine Flasche Ouzo bereitgestellt. "Du trinkst doch einen mit?", hat er gefragt, mich von Anfang an duzend, wobei die Frage eher eine Feststellung als eine Frage war. Und weil ich nicht unhöflich sein wollte, nickte ich freundlich, war aber nicht darauf vorbereitet, dass T. mir konsequent nachschenkte.

Interview mit meiner Beteiligung dauern normalerweise eine halbe Stunde, höchstens mal eine Stunde oder etwas mehr. Bei T. saß ich knapp zwei Stunden. Am Ende hatte ich zwar nette Zitate ("Wir Griechen sind kämpferisch, aber überheblich"), aber auch einen leichten Schädel, so als passionierter Seltenheits-Trinker. Ich weiß nicht, ob es letztlich fünf oder doch sechs Ouzo waren, die ich im Laufe der Zeit gekippt hatte. Ich weiß nur, dass es viele waren. Und dass ich daheim auf dem Sofa für knapp zwei Stunden extrem gut drauf war. Danach ging ich ins Bett. Und schlief einen Schlaf der Gerechten.

Ich mag Griechen.

Dienstag, 14. August 2007

Ferien in der Vergangenheit

Zweieinhalb Wochen seit dem letzten Post. Bin überrascht dass überhaupt noch jemand vorbeischaut. Es gibt nicht viel zu erzählen von diesen Tagen. Oder zu viel. Semesterferien in Stuttgart sind keine Ferien, weil die Ketten der Vergangenheit die Gunst der Stunde sofort nutzen, um mich in ihre Gewalt zu bringen. Arbeiten für drei Zeitungen gleichzeitig, Treffen mit alten Freunden, familiäre Verantwortlichkeiten, dazu die Forderungen der Gegenwart, die nicht einfach links liegen gelassen werden will, nur weil ich mal für eine Weile in der Vergangenheit vorbeischaue - diese, zum Teil natürlich erfreulichen Dinge, lassen nicht viel Zeit und Raum zum Erholen. Es ist erschreckend, wie sehr sich das neue Leben in Würzburg vom alten in Stuttgart unterscheidet, wie schnell ich aber auch wechsle, sobald ich vom einen in das andere fahre. Es ist immer schön, in die Heimat zurückzukehren. Und ist es immer schön, sie wieder zu verlassen. Jedes Mal erfahre ich aufs Neue, was ich an der Zeit zwischen 2000 und 2005 so geschätzt habe. Und jedes Mal erfahre ich aufs Neue, warum es eine phantastische Idee war, sich gegen Unkenrufer durchzusetzen und diese Zeit zur Vergangenheit zu erklären. Rund zwei Wochen noch. Dann lasse ich die Vergangenheit wieder einmal hinter mir. Bis zum nächsten Mal.