Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Montag, 17. November 2008

Geradeaus ins Paradies

Ich komme gerade zurück aus Jena. Die knapp zweieinhalbstündige Fahrt hat sich gelohnt. Freilich nicht etwa deswegen, weil es sich bei Jena um ein bezauberndes Städtchen handelt. An der Autobahnausfahrt versprühen Urlaubsplattenbauten den Charme einer Reifenpanne im strömenden Regen. Und in der Stadt selbst ist mir in erster Linie jenes Straßenschild aufgefallen, das rechts zur Arbeitsagentur für Arbeit wies - und geradeaus nach Jena-Paradies, ein nahezu absurder Gedanke. Nein, ich hatte den Besuch vielmehr mit der Hoffnung verknüpft, der Schweizer Andi Gross, der dort heute eine dreistündige Vorlesung hielt, könne vielleicht etwas Licht in das Dunkel bringen, das mich umgibt, wenn ich an meine Magisterarbeit denke. Weil er so was wie der Godfather der Direkten Demokratie ist, zumindest ihr glühendster Vertreter. Aber eigentlich wollte ich etwas ganz anderes erzählen. Den auf der Fahrt nach Jena lässt es sich nicht vermeiden, an Weimar vorbeizukommen - und damit auch an Buchenwald. Und dies wiederum erinnerte mich an meinen letzten Besuch dort. Und an die Gedanken, die hängen blieben. Ich zitiere:

"Kein Wölkchen am babyblauen Himmel, die Sonne strahlt tapfer und ergiebig und der Wind streift sanft Gesichter und Bäume. Fast könnte man glauben, man sei an einem Ort des Glücks und der Idylle, doch diese Idylle ist die Hölle - und die Feuersbrunst bedrückt einen noch immer, obwohl sie schon seit mehr als 60 Jahren als gelöscht gilt. Und an der Tür steht "Jedem das Seine", von innen, damit man es auch lesen kann, als "Bewohner" dieser Idylle.

Man befindet sich in Buchenwald, auf dem Ettersberg nahe Weimar, in der Gedenkstätte Buchenwald, in einem ehemaligen Konzentrationslager, in dem die Nazis willkürlich Menschen zu Unmenschen degradiert haben, im Kampf der Arier für das Gerechte. Und später die Russen auf einer Reinigungstour durch die sowjetische Besatzungszone ähnliche Greueltaten begingen, auf ihrem Kampf nach Gerechtigkeit. Trauer und Wut überkommt einen. Trauer, weil dieses unglaubliche Leid von politischen Gefangenen und Juden an jeder Ecke zu spüren ist, in den kleinen Zellen, in denen aufsässige Insassen an den Füßen aufgehängt wurden bis sie starben. In den Genickschussanlagen, in denen Kriegsgefangene in einem Moment starben, in dem sie annahmen, ihre Körpergröße werde gerade gemessen. Oder im Krematorium, dessen Schornstein Überlieferungen zufolge stets rauchte. Trauer, tiefe Trauer.

Aber auch Wut. Wut darüber, dass keiner etwas gewusst haben wollte von Buchenwald, von Dachau, von Auschwitz. Dort, auf dem Ettersberg, auf dem Platz, auf dem die Gefangenen morgens und abends zum Appell hatten antreten müssen, konnte ein Blick auf Weimar erhascht werden. Doch in der Stadt, so heißt es, wussten die Menschen nichts von den Geschehnissen, die in ihrer direkten Umgebung stattfanden. Warum ist es so, dass Menschen nicht aufstehen und kämpfen, wenn ihnen die Ungerechtigkeit förmlich ins Gesicht springt? Warum stehen Menschen schweigend daneben und schließen die Augen? Warum belegen wissenschaftliche Studien, dass Menschen einem Hilfsbedürftigen weniger helfen, wenn viele Menschen daneben stehen und die Hände in die Hosentaschen stecken?

Die Hoffnungslosigkeit, die einen in Buchenwald noch heute an jeder Ecke überlegen grinsend grüßt, lässt einen niedergeschmettert zurück."

Mittwoch, 5. November 2008

Ein Changeburger mit Hope, bitte

Weil mir die Worte fehlen, lasse ich einfach Mathieu von Rohr sprechen. Der bringt es nämlich ziemlich treffsicher auf den Punkt:

"Dieser Tag wird lange unvergessen bleiben, ohne Rücksicht darauf, ob sich die enormen Erwartungen an die Präsidentschaft Obamas je erfüllen werden.

Dieser Tag ist ein emotionaler Tag, ein Tag des Aufbruchs in eine neue Zeit. Es ist ein Moment, der ein Land und die ganze Welt verändern kann. Vergleichbar vielleicht mit der konservativen Revolution Ronald Reagans im Jahr 1980 - es ist ein transformativer Moment, wie es in Amerika seither keinen mehr gab. Alle Präsidenten seither, auch Clinton, standen im Schatten Reagans und seiner Ideen. Wir wissen noch nicht, ob Obama je ein großer Präsident wird. Aber er hat das Zeug dazu, einer zu werden, und er tritt zu einem Zeitpunkt an, der nach einem großen Präsidenten verlangt.

Es ist das Überlebensgroße an Obamas Person, das jetzt schon zu solchen Vergleichen ermutigt. Seine Biografie, seine Statur, seine kühle Überlegtheit, ließen ihn schon während seine Präsidentschaftskampagne präsidialer wirken als der amtierende Präsident je war. Dass am Tag vor seinem Wahlsieg seine Großmutter starb, die Frau, die ihn aufgezogen hatte, verstärkten noch das Cinemascopehafte seiner Lebensgeschichte - und die scheint ja untrennbar verknüpft mit seiner politischen Kraft.

Obama hat jetzt schon die Statur eines großen Präsidenten, er hat enorme Hoffnungen und Emotionen entfesselt. Die Frage wird sein, ob er diese Statur wird ausfüllen können mit einer erfolgreichen Politik. Ob es ihm wirklich gelingen wird, sein Land an einen Neubeginn zu führen, ihm einen neuen Sinn einzuhauchen, ihm neues Selbstbewusstsein zu verschaffen, es wirtschaftlich wieder stark zu machen - und seinen Ruf als gute Supermacht wiederherzustellen. Die Aufgabe scheint übermenschlich.

Selbst falls er scheitern sollte, wird die kathartische Wirkung dieses Tages unvergessen bleiben: Die Tränen, die Freudenfeiern, das Pathos in Amerika und in der ganzen Welt und in diesem Blog - über das Ende der verheerenden Bush-Jahre und die Hoffnung auf etwas Neues. Die Hoffnung, dass dieser hochintelligente, unbeirrbare, pragmatische Mann nicht nur ein großartiger Redner ist, sondern auch ein großer Präsident.

Die Amerikaner haben heute keine neue Ideologie gewählt. Sie haben sich von Ideologien befreit."