Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Montag, 22. November 2010

Der Terror, hautnah

Das Maschinengewehr im Anschlag stand er an der Stadtbahn-Haltestelle und nickte. Seine blonde Kollegin lächelte und sprach mit einer Passantin, die stehen geblieben war. Doch die Augen des eilig Vorbeilaufenden blieben haften - an einem eindrucksvollem Symbol, das so unmissverständlich wirkte, wie es keine Rede eines Bundesinnenministers oder keine Schlagzeile eines Scharfmacher-Blattes vermögen kann. Die Augen blieben hängen am Maschinengewehr.

Später ist zu erfahren, dass ein privater Sicherheitsdienst im Rathaus jeden Menschen filzt, der sich Zugang verschaffen mochte. Besucher genauso wie Mitarbeiter, die nicht allgemein bekannt sind. "Eine reine Vorsichtsmaßnahme", heißt es. Wegen der höchsten Warnstufe aus Berlin. Wegen des in zwei Tagen beginnenden Weihnachtsmarktes. Und die dramatisch imagegeschädigten Beamten der Stadt, seit Monaten mit Revolutionären und Konterrevolutionären beschäftigt, haben eine neue Aufgabe. Sind plötzlich nicht mehr nur "Schachfiguren und Erfüllungshehilfen einer widerstandsverdrossenen Staatsmacht", sondern auch wieder Freunde und Helfer. Beschützer und Retter.

Angst ist ein mächtiger Begleiter, ein Diktator des eigenen Fühlens und Handelns. Wer Angst hat, geht keine Risiken ein, sehnt sich nach Sicherheit, nach einer Macht, die Schutz garantiert. Wer Angst hat, will keine Angst mehr haben. Wie real ist die Terrorgefahr in Deutschland? Wie wahrscheinlich ist es, dass tatsächlich ein paar Fundamentalisten im Reichstag Geiseln nehmen, sich unter die Besucher des Weihnachtsmarktes (oder die einer Demo gegen Stuttgart 21) mischen und in die Luft sprengen? Wer traut sich eine Antwort auf so eine Frage zu? Der Mann, der am Montagmittag, 22. November, 12 Uhr, auf dem Weg von einem Termin zurück in die Redaktion an zwei Polizisten vorbeieilte, traut sich nicht. Er denkt nur an die große Waffe. Und an die Macht der Symbole.

Hagen Rether - "Haben Sie auch so wahnsinnige Angst vor dem Islam. . .?"