Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Sonntag, 28. März 2010

Sozialisierung zwischen Zwang und Sucht

Meine Welt dreht sich zurzeit sehr schnell. Ein Umzug steht an, schrittchenweise. Eine Ära endet, endgültig am 14. April mit einer Abschiedsparty in Würzburg. Davor: noch zwei mündliche Prüfungen. Eine neue Ära beginnt, am Montag schon, in Stuttgart, der alten Heimat.

Der letzte Blogeintrag ist fast zwei Monate her. Es gab nicht viel zu schreiben. Und was es zu schreiben gab, gab es anderswo zu lesen, in schön verdaulichen kompakten Dosen, dank des Eintritts in die schöne neue Facebook-Welt vor ziemlich genau einem halben Jahr. Anfangs noch etwas zögerlich, habe ich mich zuletzt mehr und mehr blindlings ins Vergnügen gestürzt, andere unermüdlich an Stimmungen und Situationen teilhaben lassen, meine Freundesliste angereichert, bin auf diese Art und Weise Rendezvous mit der Vergangenheit eingegangen. Doch je mehr ich mich kopfsprungartig in den Strudel des neuen Zeitalters begebe, desto antagonistischer sind meine Gefühle deswegen. Auf
Stern-Online ist ein Leidensbericht von Lucy Kellaway, Kolumnisten bei der Financial Times in London, erschienen, der davon handelt, wie wenig sie Facebook versteht. Eine Freundin, ironischerweise eine Netzfreundin, hat in ihrem Blog unlängst ein flammendes Plädoyer gegen die Teilnahme an sozialen Netzwerken veröffentlicht. Das Grunddilemma, das dort zur Sprache kommt, beschäftigt mich im Besonderen, da ich in meinem Buch eben jenen Verlust der ursprünglichen Kommunikationsfähigkeit anprangere, den ich auch durch die zunehmende Konzentration auf virtuelle Kontaktpflege verursacht sehe. Trotzdem bin ich ein Teil dessen geworden, was ich kritisierte - ein sehr aktiver obendrein. Weil es offenbar nur noch zwei Optionen gibt: sich unterzuordnen und mitzuschwimmen, um im vollen Umfang am Leben anderer zu partizipieren. Oder sich abzusondern, sich als Unzeitgemäßer zu outen, in der Gefahr, den Kontakt zu verlieren oder ihn gar nicht mehr erst herstellen zu können. Vielleicht ist das Argument des Zwangs aber auch nur eine feige Ausrede, dazu bestimmt, mein Selbstbild aufrechtzerhalten.

Was mich aber wirklich interessiert: Warum ist unser Leben, das durch die unbegrenzten Möglichkeiten der Virtualität um so ein vielfaches einfacher geworden ist, immer hektischer?