Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Montag, 28. Mai 2007

Flucht in Sofies Untiefen

Ich stecke fest. Sitze da an meinem Pfingstlernwochenende und komme nicht weiter, gelähmt von einer unsichtbaren Kraft. Sollte Demokratietheorien studieren, bin aber zurückgewichen vor der Dicke des Buches. Könnte ein dünneres Lehrwerk angehen, bin aber ermattet. Habe in den vergangenen Tagen schon einiges abgearbeitet und bin doch nicht zufrieden. Die Panik ist allgegenwärtig, hauptsächlich jene vor einer Prüfung, die noch knapp zwei Monate entfernt ist. Der paranoide Zwang zu glauben, ich müsse mehr tun, ich müsse mehr lesen, genauer lesen, sorgfältiger vorgehen, quält. Und dann sitze ich da, beim verzweifelten Versuch mich entweder neu zu motivieren oder eine Alternativbeschäftigung zu finden, blättere in alten Tagebuchaufzeichnungen, höre Terra Naomi (danke Anne!) oder Snow Patrol und beginne, Sinnfragen zu stellen. Jene Fragen, die einen innerlich an den Rande des Zerreißens bringen lassen, weil man das Gefühl hat, in jeder Minute seines Lebens etwas zu verpassen. Woher kommt diese widernatürliche Sehnsucht eigentlich, genusssüchtig durch die Zeit hetzen zu müssen?

Ich glaube, ich gehe jetzt ins Bett. Sofies Welt lesen. Die einzige philosophische Erfahrung, die ich heute noch machen möchte. Ach wie schön ist dieses Abtauchen.


Sonntag, 20. Mai 2007

Könige des Freudentaumels

Die Fotos lagern auf der Festplatte. Aber Fotos können den Wahnsinn dieses Erlebnisses nicht transportieren. Deswegen sind auch ein paar Videos dabei. Videos, die ich mir noch oft anschauen werde. Und dann werde ich wieder mittendrin sein. Mittendrin in dieser Menschenmenge, mittendrin unter den 70.000 auf dem Schlossplatz, mittendrin unter den 250.000 in der ganzen Stadt, mittendrin unter berauschten Patrioten, deren Glitzern in den Augen das Resultat von Freudentränen und purem Stolz sind. Weil diese Bilder, die in die Nation hinausgeschossen wurden, einfach nur ein wunderbares Bild von dieser Stadt und seinen Menschen transportieren können. Zwölf Stunden habe ich ausgeharrt, die Achterbahnfahrt der Gefühle während des Spiels nie realisiert, es nicht greifen, nicht begreifen können, was da passiert. Habe, als alles klar und doch nicht fassbar war, R. empfangen, der sich seinen verbotenen Weg auf den Platz geebnet hatte, durch den Absperrzaun durch, an der Security vorbei. Habe M. bedauert, weil er am selben Vorhaben scheiterte und von einem starken Gorilla wieder auf die andere Seite des Zauns getragen wurde. Habe auf die Mannschaft gewartet, Fanta 4 zugehört, die Schmerzen meiner Füße ignoriert. Habe wie ein erfreuter Schneekönig mitgejault, als zehntausende unter dem Kommando des bayerischen Anti-Sängers Markus Babbel dieses wunderbare Lied vergewaltigten, You never walk alone. Habe kopfschüttelnd auf der Freitreppe sitzend neue Kraft geschöpft, während WM-Erinnerung angesichts überwältigender Emotionen um einen herum wie graue Farbtöne verblassten.

Und allerspätestens während ich heute, am Tag danach, die sonnenüberströmte A81 gen Norden ins fränkische Exil entlangbretterte und die ewige Queen-Hymne von Gewinnern für Gewinner mit einem fetten Grinsen (seligem Lächeln?) im Gesicht über die Lautsprecher ertönen ließ, da war klar: das waren Momente für die Ewigkeit.

Deutscher Meister: VfB

Montag, 14. Mai 2007

Dinge, an denen man merkt, dass...

... man schon zu oft im Walmart eingekauft hat: Man packt wahllos Lebensmittel in den Einkaufswagen, fährt zu Kasse, grüßt die Kassiererin, die einen längst duzt, und sagt der verdutzten Dame bis auf vier Cent den Gesamtpreis voraus.

Es ist Zeit für eine Veränderung. Aus Walmart wird Real.

Sonntag, 13. Mai 2007

Das häßliche Gesicht der Großstadt

"Ach, irgendwie wäre es doch schön, mal wieder in einer kleineren süddeutschen Stadt zu wohnen", verriet mir L., als wir uns zum ersten Mal nach fünf Jahren in Berlin-Kreuzberg trafen. L. lebt seit sechs Jahren dort und in letzter Zeit habe sie den Berlin-Blues. Ich kann sie verstehen. Nicht etwa, weil ich die Hauptstadt einschüchternd fand, als ich vor rund einem Jahr zum ersten Mal mit einem Mietwagen über den Potsdamer Platz gefahren bin. Sondern weil diese Stadt einem wie keine andere vor Augen führt, wie zweigeteilt die deutsche Gesellschaft ist. Penner, Junkies, Alkoholiker - wer in Berlin U-Bahn fährt, dem müssen die euphorischen Aufschwunglobhudeleien deutscher Politiker wie blanker Hohn vorkommen. Man kann die Augen nicht davor verschließen, wie die Menschen in der Erniedrigung der eigenen Armut langsam verenden. In die Wut, die auf die Erkenntnis folgt, mischt sich traurige Hilflosigkeit. Und Scham.

Ich bin froh, wieder in Würzburg zu sein.