Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Montag, 1. Oktober 2007

Umziehen für Fortgeschrittene, Akt zwei

Es regnete an diesem Samstagmorgen in Würzburg und ich war nicht sonderlich gut gelaunt. Ich hatte die Nacht größtenteils auf dem Boden verbracht, weil meine Kissen lieber über den Boden rutschen wollten, als mir einen Schlafplatz zu bieten. Mein Bett hatte ich für die letzte Nacht im Wohnheim R. überlassen. Der würde seinen Rücken noch brauchen. Da stand ich nun also vor dem Haus von Vermieter C., der gerade unter der Dusche stand und trotzdem nur unwesentlich nasser wurde als ich. Ich wartete auf den Schlüssel für das Haus, in dem sich meine Wohnung aufhält, starrte auf ein Schild mit der Aufschrift "Betteln und Hausieren verboten", sah zwei skeptisch dreinblickende Hausbewohner an mir vorbeischleichen und wartete. Wartete solange, bis C. endlich kam und mir den Schlüssel gab, Sekunden bevor R. einen Strafzettel wegen Parkens in der zweiten Reihe zu bekommen drohte.

In der Wohnung angekommen wurden mir zwei Dinge auf den ersten Blick bewusst. Erstens: das Haus wird in diesem Jahr sicher nicht mehr fertig renoviert. Zweitens: meine Wohnung diesen Monat ebenfalls nicht (zur Klarstellung: es war noch September). Die Steckdosen fehlten. Konsequenz: der Aufbau der Möbel fiel von vornherein flach. Es wurde nur geschleppt. 26 Mal liefen R. und ich innerhalb der nächsten Stunden die zwei Stockwerke rauf und runter, dann waren sämtliche Umzugskartons und alle Möbel in der Wohnung platziert. Zwischendurch hatten wir lediglich 250 Kilometer fahren müssen, von Würzburg nach Bietigheim-Bissingen bei Ludwigsburg (bei Stuttgart) und wieder zurück. In Bi-Bi, bei Möbel Hofmeister, hatten wir tags zuvor die Hälfte meiner Möbel stehen lassen. Der Sprinter, den mein Vater fürs Wochenende einem Geschäftskollegen aus Oberboihingen bei Wendlingen (bei Esslingen (bei Stuttgart, und trotzdem noch 60 Kilometer von Bietigheim-Bissingen entfernt)) abgeschwatzt hatte, hatte sich bei genauer In-Augenscheinnahme dummerweise als ein Vito entpuppt. Und der kleine Bruder vom Sprinter ist irgendwie nicht ganz so belastungsfähig.

Der Aufbau der Möbel ist nun also aufs kommende Wochenende verschoben. Bis dahin, so versprach C., als R. und ich zur Schlüsselrückübergabe am Tisch des Vermieters saßen, soll die Wohnung Türen, ein komplettes Bad und - ganz wichtig - Steckdosen haben. Sprich: fertiggestellt sein, freilich mal abgesehen von der Küche und dem warmen Wasser, die beide erst später einziehen (siehe Akt eins). Dann faselte C. noch etwas davon, dass er die von Makler M. vermittelte (und, nebenbei gesagt, vertraglich festgelegte) Vereinbarung zur Übernahme der Küche nach meinem Auszug nicht mehr ganz so gut findet und darauf hofft, dass wir uns da anders einig werden. Womit ich ihn vermutlich herbe enttäuschen werde. Aber damit möchte ich ihn nicht belasten, solange mein Auszug nicht ansteht.

Noch immer fasziniert vom couragierten Einsatz des Vermieters für den eigenen Geldbeutel fuhren R. und ich in Würzburg-Heidingsfeld auf die A3, die wir in Würzburg-Kist (eine Ausfahrt und rund sechs Kilometer westlich) wieder verließen - rund eine Stunde später. Die dortigen Brückenabrissarbeiten samt Vollsperrung ermöglichten es uns, ausführlich über den Tag zu debattieren. Rund drei Stunden später war der falsche Sprinter wieder bei seinem richtigen Besitzer und R. daheim bei sich im Bett. Er muss sich ausruhen. Nächsten Donnerstag beginnt Akt drei.

Umziehen für Fortgeschrittene, Akt eins

Das Neue Schloss in Stuttgart ist ein schöner Ort, vor dem in der Vergangenheit so manches rauschende Fest gefeiert wurde. Im Kleinen bei der Turn-WM, im Großen bei der Fußball-WM und am letzten Bundesligaspieltag der vergangenen Saison. Die Erbauung allerdings hat dann doch etwas länger gedauert als vermutet, mehr als 60 Jahre, um genau zu sein. Vielleicht heißt es auch deswegen "My home is my castle". My Castle soll ja nun die nette neue Wohnung sein, für die ich mich vor nicht allzu langer Zeit entschieden habe. Die anfänglichen Zweifel sie betreffend waren dann auch schnell verflogen. Es dauerte nicht lange, da hatte die Vorfreude Besitz von mir ergriffen. Ich kaufte Möbel, fand mit der tatkräftigen Hilfe von Mom und R. schicke und preiswerte Angebote und die neue Küche stand kurz vor dem Einbau. Es war nicht tragisch, dass der ursprünglich angedachte Einzugstermin (1. September) nicht eingehalten werden konnte. Zum 22. September klappte es zwar auch nicht, aber mit Ende September konnte ich ja auch noch leben. Und ich hatte ja die feste Zusage von Makler M., der als ständiger Vermittler zwischen mir und Vermieter C. auftrat, dass meine Küche am Donnerstag (27. September) eingebaut werden könne. "Gar kein Problem, das klappt schon", hatte M. gesagt. Und ich hatte der spöttischen Aussage von meinem Würzburger Statthalter (und baldigem Ex-Nachbar) M. keine Beachtung geschenkt, dass Makler grundsätzliche solche beruhigende Dinge sagen - entgegen allen Gesetzen der Realität.

Nun ja, das Gespräch mit Vermieter C. zwei Tage vor dem Kücheneinbau brachte mich der Wahrheit näher: "Wieso Donnerstag? Mir hat man gesagt, die Küche käme am Freitag", sagte mir C., kurz nachdem er mir mitgeteilt hatte, dass ich mit warmen Wasser vor dem 16. Oktober leider nicht rechnen könne. "Aber ich kann doch zum 1. Oktober einziehen?", fragte ich ihn, nachdem ich den Montagetermin für die Küche um 10 Tage nach hinten verschoben hatte. C. stöhnte. "Oh, das wird knapp", antwortete er - und versprach mir doch, Druck auf seine Bauarbeiter auszuüben, damit zumindest das Gröbste fertiggestellt sei. Irgendwie auch gut so, denn die Möbel warteten auf ihre Abholung und das Wohnheimzimmer darauf, für den Nachmieter vorbereitet zu werden. Ich war nervös, aber flüchtete mich in Optimismus. "Wird schon alles geklappt haben", dachte ich mir, schnappte mir Umzugshelfer R. und machte mich am vergangenen Freitag auf den Weg...

Freitag, 7. September 2007

Versteckspiel mit Gespenstern

Überheblich grinsend begrüßte mich der Herbst, als ich gestern Abend die Redaktion verließ und mich auf den Weg zum Auto begab. Wie ungemütlich können 40 Sekunden eigentlich sein? Das ist kein Wetter für Aktivitäten im Freien. Das ist ein Wetter, um sich daheim unter einer Bettdecke zu verstecken und in die Welt von Ally McBeal einzutauchen (dazu in Kürze mehr). Heute Morgen war der Herbst dann immer noch da. Und eigentlich hätte ich Haus und Decke nicht verlassen, hätte ich nicht diesen besonderen Termin gehabt. Im Atelier im Bollwerk, eines von zwei Stuttgarter Arthouse-Kinos, wurde der Film Nichts als Gespenster der Kritikerriege vorgestellt. Es war meine zweite Pressevorführung, nachdem ich mir am 24. September 2004 für die Stuttgarter Zeitung Head in the Clouds angetan hatte. Und im Kino, bei diesen warmen Bildern von der Wüste Nevadas, dem Strand Jamaicas, ja selbst vom "Sommer" in Island, war der Herbst sofort vergessen, zumindest für zwei Stunden. Das Problem war nur: ich musste irgendwann wieder raus, um nach Haus(e) zu kommen, zurück zu meiner Bettdecke.

Die Rezension gibt es demnächst bei Moviemaze.

Montag, 3. September 2007

Filzballfieber

Es gab eine Zeit, da saß Deutschland vor dem Fernseher und hat Menschen - meistens zwei, gelegentlich auch vier - dabei zugesehen, wie sie sich kleine gelbe Filzbälle entgegen geprügelt haben. Wobei: geprügelt wurde damals noch nicht so wie heute. Tennis war ein anderes Spiel, als Boris Becker zum ersten Mal Wimbledon gewann. Vielleicht kommt es mir auch nur so vor, vielleicht trübt die Erinnerung. Aber eines ist sicher: etwas war anders. Als das deutsche Davis-Cup-Team 1988 mit Niki Pilic als Coach im Finale gegen Schweden gewann, war ich sieben Jahre alt und seit ein, zwei Jahren selbst Tennisspieler. Fortan nannte ich mich in den vielen Fünf-Satz-Duellen mit M. Charly Steeb. Mein spanischer Kumpel war, ganz nationalstolz, meistens Sergi Brugera. Und wir fühlten uns so groß.

Heute ist Tennis ein Zeitvertreib, der von mir zuletzt zu wenig vertrieben wird, weil die Zeit fehlt. Und auch sonst ist, wie erwähnt, einiges anders geworden. In den vergangenen Jahren gab es kaum Anlässe, vor dem Fernseher zu sitzen und Menschen dabei zuzusehen, wie sie sich
kleine gelbe Filzbälle entgegen prügeln. Die Identifikationspunkte sind nicht mehr da, die Deutschen hecheln in der Weltrangliste den anderen häufig hinterher, sind verletzungsanfällig, nicht stark genug. Aber ab und zu fühlt es sich wieder an wie früher. Und dann wächst die Lust, selbst einmal wieder zum Racket zu greifen, ins Unermessliche. Was der junge Philipp Kohlschreiber und der aufblühende Tommy Hass in diesen Tagen bei den US-Open in New York zeigen, lässt das Herz eines jeden Tennisfans höher schlagen. Und schneller. Mit Schlägen, die sie irgendwo gefunden haben müssen, aber nicht auf dieser Erde. Mit couragierten Auftritten, die einem einfach nur die volle Sympathie und den vollen Respekt abgewinnen müssen. Man sitzt wieder vor dem Fernseher, geht mit dem Oberkörper mit, zittert und zappelt, drückt die Daumen, leidet, jubelt, schüttelt fassungslos den Kopf.

Es spielt keine Rolle, dass Kohlschreiber in der Nacht zum Montag irgendwann gegen 3.46 Uhr gegen den Spanier Moya verlor, weil er zuvor seine vielen Breakchancen nicht hatte nutzen können. Es ist auch egal, wie das Spiel zwischen Haas und dem US-Amerikaner Blake ausgeht, bei dem gerade der Tie-Break im entscheidenden fünften Satz beginnt. Für solche TV-Erlebnisse ist man nur dankbar.