Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Samstag, 23. August 2008

Italien für Anfänger, Teil III: Staatsbesuche

Dorfmenschen (in Deutschland wie in Italien) mögen zwar alt sein, Probleme mit dem Herzen haben und schlecht hören. Aber wenn ein deutsches Auto kommt, dann fällt das auf (weniger in Deutschland als in Italien). Und weil D. ein guter Mensch und Nachbar ist, begaben wir uns am Morgen nach der Anreise auf Willkommenstour.

Die begann bei dem Mann, den ich an dieser Stelle zu meinem persönlichen Helden ernennen möchte (ungeachtet der Tatsache, dass er für viele eher ein Antiheld ist): G. saß vor seinem Häuschen und sprach mit seinem Schwager, als wir ankamen. Er saß da im Unterhemd, ein Sauerstoffgerät versorgte ihn mit Luft und um seine Nase schlängelten sich Schläuche. „Wie geht’s dir?“, fragte D. mehr aus Höflichkeit als aus persönlichem Interesse. G. zuckte mit den Achseln und sagte „come sempre“. Dass der Mann überhaupt an der frischen Luft saß, war die erste Überraschung des Tages. Denn in den zwölf Monaten zuvor hatte er selbige vor Einbruch der Dämmerung konsequent gescheut, aus Angst vor Staatsspionen auf der Suche nach Beweisen dafür, dass sein Antrag auf eine höhere Arbeitsunfähigkeitsrente ungerechtfertigt sei. Aber das ist nur ein Grund, warum der Mann eine lebende Legende ist. Eines Tages empfing er D.’s Mutter L. und zwei Freundinnen von L., die zu Besuch in Italien waren. Als Besucherinnen und Gastgeber zu viert an einem Tisch saßen, bat G. die Freundinnen, doch bitte ihre Plätze zu tauschen, weil er lieber der Hübscheren von beiden gegenübersitzen wolle. Seinen persönlichen Höhepunkt erklomm G. jedoch zum Fest anlässlich seiner silbernen Hochzeit mit E., einer spröden Dame, die hart auf dem Feld schuftet, seit das G. nicht mehr kann. Das ganze Dorf hatte zusammengelegt, um G. und E. eine Stereoanlage zu schenken. „Grazie, grazie. Ma non mie piace“, antwortete der Mann des Hauses zum Entsetzen aller Anwesenden und speziell seiner Frau: Danke, sehr nett von euch. Aber das Geschenk gefällt mir nicht. „Warum habt ihr mir keinen Fernseher geschenkt?“, soll die personifizierte Ehrlichkeit noch gefragt haben.

Den Satz von G. habe ich mir natürlich gemerkt. Erstens, weil er so etwas wie ein Running Gag ist. Zweitens, weil ich mir sicher war, ihn noch brauchen zu können. Ich wusste, dass mir Einladungen zum Essen bevorstehen würden. Mir, dem komplizierten Esser. Jan Weilers Maria, ihm schmeckt’s nicht hatte mich auf alles vorbereitet. Sorgen machte ich mir trotzdem – und gerade deswegen. Bei P., wohnhaft in einem schicken Häuschen, umgeben von einem schicken Zäunchen, beides auch liebevoll Fort Knox genannt, war die Gefahr, eingeladen zu werden, am größten. P. ist ein guter Freund der Familie. Er spricht ein bisschen deutsch, weil er einige Zeit lang sein Glück im gelobten Land gesucht hat. Mit D. sprach er nur italienisch. Ich war erstaunt, wie viel von meinem im Anfängerkurs an der Uni erworbenen Sprachwissen noch hängen geblieben war. Mein Lehrer S., der mich bei der Abschlussprüfung nur nicht hatte durchfallen lassen, weil er sich die Schmach ersparen wollte, einen Sprachunfähigen unterrichtet zu haben, wäre stolz auf mich gewesen. Freilich nur bis zu dem Zeitpunkt, als P. mich ansprach und meinte, er sei ja schon ein alter Mann. „È relativo“, habe ich geantwortet – wollte ich antworten. Das „e“ (in dem Fall: das ist) habe ich verschluckt, weswegen ich mir vier Sekunden peinlich berührt vorkam, weil ich P. soeben als relativ alt bezeichnet hatte. Ich schob zur Sicherheit ein „tutto è relativo“ hinterher – dummerweise als D. und P. schon längst zum nächsten Thema ansetzten. Man sprach über Berlusconi, weil man erfahren hatte, dass ich Politikwissenschaften studiere. „Was haltet ihr Deutschen von der Wahl?“, wollte P. wissen. Ich musste feststellen, dass mein Wortschatz nicht ausreichte, um meine Wertschätzung für den größten Italiener seit dem. . . – naja seit den 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts halt – adäquat zu formulieren. Auch P. kann mit den Achseln zucken. „Es macht eh keinen Unterschied, wen man wählt“, sagte er weise.

Am Ende hat er uns tatsächlich zum Essen eingeladen. Mit am Tisch saßen Frau und Köchin L., der etwas lethargische Sohn C. und Töchterchen T. Die ist seit Jahren mit demselben Kerl liiert, aber noch nicht verheiratet, weil selbiger zwar durchaus schon Großgrundbesitzer ist, in seinen zwei Häusern aber Mama und Tantchen hausen. Und solange sich eine der beiden nicht bereit erklärt, mit der anderen zusammenzuziehen (wir sprechen von Häusern mit mehreren Stockwerken) oder alternativ: sich bereit erklärt, das Zeitliche zu segnen, wird das nichts mit der Hochzeit. Beim Essen kamen D. und ich in den angenehmen Genuss, das Formel-1-Rennen mit versagenden Ferraristi auf einem Bären von einem Fernseher zu sehen. Ich kam zudem in den zweifelhaften Genuss, Pasta al forno mit Auberginen serviert zu bekommen. Zum Glück war keine Maria im Haus. „Du musst das nicht essen, wenn es dir nicht schmeckt“, meinte L. mitleidend. Beim hauseigenen Schwein, dem Tomaten- und Gurkensalat, dem Obst und dem Eis danach griff ich dafür kräftig zu. Auch, weil P. mich mehrfach darum „bat“. Es schmeckte aber auch prima, ganz ehrlich.

Abends aßen wir dann Pizza. . .

(Fortsetzung folgt)

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