Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Donnerstag, 14. August 2008

Italien für Anfänger, Teil II: Auf in den Süden

Meine Schwester ist eine kleine Diktatorin. Das durfte ich schon früh erfahren. Es ist wohl 20 Jahre her, da fesselte sie mich ans Treppengeländer unseres Elternhauses. Sie benutzte die Strumpfhose, die man mich zwang anzuziehen. Und ich hatte sie in dem Moment an. Ich werde das nie vergessen. Vor allem deswegen, weil K. ihr Opfer fotografierte. Gerächt habe ich mich später, indem ich meinen Tennisschläger und ihren Arm miteinander verkuppelte. Da D. und ich unsere Tennisschläger an jenem frühen Samstagmorgen nicht griffbereit hatten, verzichteten wir auf eine Re-Union und leisteten dem Befehl meiner Schwester, gefälligst zu frühstücken, stillschweigend Folge.

Kurze Zeit später befanden wir uns auf einer Schweizer Autobahn – diskutierend und gestikulierend. Denn wenn die Schweizer eines garantiert nicht erfunden haben, dann ist es eine narrensichere Ausschilderung. An der Abfahrt Richtung Gotthard fuhren wir vorbei. „Da kommt bestimmt noch eine“, sagten wir uns und nickten fünf Minuten lang. „Da kommt wohl keine mehr“, bedauerten wir während der nächsten fünf Minuten. „Egal. Über den San Bernadino ist es eh kürzer“, beschloss Fahrer D., als eine Rückkehr zur ursprünglichen Ausfahrt nicht mehr sinnvoll war. Ich schwieg. Es kostete zu viele kognitive Kapazität, um mir in Erinnerung zu rufen, wie mein Polo auf der Rückfahrt von einem EM-Trip bei Innsbruck auf einem kurzen Steilstück fast gestorben wäre. Wie sollte mein altersschwacher Krieger da einen Pass von der Höhe des San Bernadino bezwingen? Dass D.’s Mama auf Nachfrage meinte, über die Frage Pass oder Tunnel entscheide das Auto (ohne dass wir ihr meine Bedenken mitteilten), beruhigte mich nicht ungemein. Doch der Polo strafte mich Lügen – und der Verkehrsfunk sorgte für weiteres Amüsement. „Vor dem Gotthard in Richtung Süden drei Stunden Wartezeit“, teilte uns eine italienische Stimme mit. Von einem Stau würden wir uns nicht aufhalten lassen.

Das Motto behielten wir an der Grenze bei, als wir stehende Fahrzeuge auf der Spur ganz rechts links liegen ließen. Über uns zeigten Schilder unentzifferbare Symbole mit komischen großen Autos an, die wir nicht verstanden. Anschließend lief es blendend. Im Autogrill bei Milano gab es Pizza, in Rimini noch mal. Eigentlich wollten D. und ich dort über Nacht bleiben, verzichteten aber. Die Hotels waren zu teuer oder zu ausgebucht, die Menschen zu alt und zu fremdsprachlich und mein Fuß zu kaputt (ohne oder). D. machte sich über die Blase lustig, die – obwohl unsichtbar – äußerst schmerzhaft war und die ich mir nach geschätzten vier Schritten im Strandsand zugezogen hatte. Der eigentliche Grund für unsere Rimini-Flucht war freilich völlig simpel. Wir waren alte, müde Männer, die in der Nacht zuvor in Zürich zu viel gefeiert hatten. Wir wollten in ein Bett – jeder in ein anderes, um das klarzustellen. In ein Bett in dem Häuschen in dem Dörfchen, in dem D.’s Eltern seit zehn Jahren immer wieder Urlaub machen, weil es ihnen praktischerweise gehört (das Bett und das Häuschen, nicht das Dorf).

Vorher, und das wollten sich D. und ich dann trotz dunkelster Dunkelheit nicht nehmen lassen, badeten wir im Meer. Am freien Strand von Ortona liebten sich zwei Körper – oder sie taten so, um uns in Sicherheit zu wiegen und anschließend unsere T-Shirts und andere Wertsachen zu stehlen. Ich ließ die beiden auch im Wasser nicht aus den Augen, sah von dort aber dummerweise weder das Paar noch unsere Sachen. Doch wir verließen das aufgewärmte Wasser sowieso recht schnell wieder. D. verspürte ein Kribbeln am Fuß. Ich eines am Arm. Und wir hatten uns zuvor noch über Quallen und weitere traumatische Erlebnisse unterhalten, die noch traumatischer waren als Begegnungen mit isländischen Kleiderschrankpfadfinderinnen. Es stellte sich heraus, dass wir auch 30 Minuten nach dem Kontakt mit dem Kribbelverursacher noch lebten.

Da ich lag ich bereits im Bett. „Ach ja, hab’ ich vergessen zu erwähnen“, hatte mir D. irgendwann noch gebeichtet. „Es könnte sein, dass wir im Haus kleinere Echsen oder Skorpione haben.“ Das sei aber nicht weiter schlimm. Der Biss eines Skorpions sei vergleichbar mit einem Bienenstich. Habe ich eigentlich schon mal dieses traumatische Erlebnis in meiner Kindheit. . . Völlig egal. Noch vor Mitternacht schlief ich wie ein unschuldiges Baby.

(Fortsetzung folgt)

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