Die Suche nach dem Gold

Die Suche nach dem Gold

Mittwoch, 1. Oktober 2008

Der Terror im Schnelldurchlauf


Man kann es durchaus als Augenzwinkern verstehen, wenn Janis Joplin "Oh lord, won't you buy me, a Mercedes Benz" röhrt und im nächsten Moment die noch jungen Bettina und Regine an einem Sylter FKK-Strand spielen, bevor ihre Mutter die Mädchen zum Strandkorb zurückbeordert. Ausgerechnet die Neue Revue liest diese dunkelhaarige Frau, Ulrike Meinhof, dieses Glamourblatt mit ihrer Titelgeschichte über den Schah von Persien vor dem Deutschlandbesuch im Juni 1967. Doch es soll bald klar werden, warum sie das tut. Meinhof, Journalistin der linksgerichteten Zeitschrift konkret, schreibt einen Beitrag, in dem sie die sozialen Ungerechtigkeiten in Persien angreift. Und dann, der Szenewechsel: Kamera auf Berlin, Bismarckstraße, Deutsche Oper. Der Schah will die Zauberflöte sehen. Zwischen engagierten Jubeliranern und protestierenden Studenten kommt es zu Handgemengen. Unfassbar, mit welcher Brutalität die Polizei sich auf Seiten der Iraner schlägt und wahllos in die Menge prügelt. Und dann fällt ein Schuss: Karl-Heinz Kurras trifft Benno Ohnesorg, die Straße ist getränkt mit dem Blut des Pazifisten - und aus der Wut und der Empörung über Bullenschweine und das System der Väter, dieser Naziverbrechenwegschauer, entsteht der Kampf der RAF.

Vergangenheitsbewältigung im Film ist en vogue in Deutschland. Mit Das Leben der anderen gewann Florian Henckel von Donnersmarck 2007 den Oscar, drei Jahre zuvor sperrte Bernd Eichinger den Kinozuschauer mit dem Führer in einen Bunker, um endlich einmal so richtig nah beim Untergang dabei zu sein. Und ausgerechnet jener Eichinger, ein moderner Kapitalismus-Midas produzierte nun die Geschichte des deutschen Terrorismus und ließ Stefan Austs Buch Der Baader-Meinhof-Komplex verfilmen. Austs ehemaliger Arbeitgeber Spiegel lästerte schon, das System, das die RAF zu bekämpfen glaubte, habe nun endgültig gesiegt.

Tatsächlich steckt in einer solchen Verfilmung auch die Chance, ein bedeutsames Kapitel der deutschen Nachkriegsgeschichte dem Massenpublikum verständlich zu machen. Doch trotz einer Lauflänge von zweieinhalb Stunden
und trotz aller beachtenswerten historischen Akribität scheitern Eichinger und sein Regisseur Uli Edel an dieser Aufgabe. Zu komplex sind die Zusammenhänge, um sie konsumentenfreundlich und verständlich zu vermitteln. Wer über die Zeit zwischen 1967 und dem Deutschen Herbst 1977 nicht ohnehin schon informiert ist, dessen Aufnahme- und Verarbeitungsfähigkeit wird beim Hetzen von Anschlag zu Anschlag und von Verhaftung zu Befreiungsaktion auf der Strecke bleiben.

Notgedrungen konzentriert sich der Film hauptsächlich auf die Lichtfiguren der "revolutionären Kräfte", auf Andreas Baader (von Moritz Bleibtreu politischer dargestellt, als der draufgängerische Prolet Baader in Wirklichkeit wohl war), Gudrun Ensslin (Johanna Wokalek) und Ulrike Meinhof (Martina Gedeck) sowie den Gegenspieler im BKA, Horst Herold. Viele andere Akteure verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Es bleibt nicht einmal Zeit zu erkennen, dass die erschossene Petra Schelm von Alexandra Maria Lara dargestellt wurde. Die RAF-Ikonen werden vor allem zu Beginn des Film glorifiziert. Sie sind hippe Helden, die mit ihrem Style, ihren Worten und Taten den Zuschauer zuweilen zum Lachen, ja sogar zum Jubeln bewegen. „Es ist ein Täter-Film, bei dem man sich schon Mühe geben muss, um nicht (...) sehr von diesen jungen Menschen eingenommen zu werden, die so klug, engagiert und schön sind", hat der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Horst Buback, Michael Buback, in einem Beitrag für die Berliner Morgenpost notiert. Über die Kehrseite der Medaille - bestehend aus toten Zivilisten und Fahrern, den Kolaterälschaden der RAF - erfährt man nichts.

Die Bild-Zeitung, das Blatt des Bösen und Feindbild der Studenten-Bewegung, überschlägt sich pflichtschuldig in Jubelarien für den Film, die taz als Sprachrohr der Linken präsentiert ihr Lob etwas zurückhaltender. In der Tat zeichnet Der Baader-Meinhof-Komplex jene so dramatischen zehn Jahre durchweg spannend und atemberaubend nach. Doch
Antworten auf die Frage, wann Gewalt legitimiert ist, wie ein System bekämpft werden darf, das als zynisch und menschenverachtend verstanden wird, kann der Film nicht geben. Am Ende liegt Hanns Martin Schleyer tot in einem Wald und Bob Dylan trällert zum Abspann "The answer, my friend, is blowin' in the wind". Und das ist dann doch way too much.

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